Wenn man in Deutschland oder anderswo vom Dritten Reich spricht denkt gewöhnlich niemand an Porzellantiere. Doch der Reichsführer - SS Heinrich Himmler konnte sich durchaus für Dackel, Hirsche oder springende Pferde aus Porzellan begeistern. 1936 gründete er mit Hilfe von vier "Strohmännern" eine Manufaktur, ohne dass sein Name öffentlich damit in Zusammenhang gebracht werden sollte. So entstanden zuerst in München Allach, dann in unmittelbarer Nachbarschaft des KZ Dachau Porzellanfiguren und Keramiken mit der doppelten Siegrune als Markenzeichen. Himmlers Manufaktur sollte nicht primär ökonomische Zwecken dienen, sondern in der Tradition fürstlicher und staatlicher Gründungen künstlerische Ziele verfolgen. Die PMA sollte "Instrument seines Wollens" werden. Man eröffnete 1937 einen Laden in Berlin an prominenter Stelle, später weitere Läden in Posen, Warschau, Lemberg/Lwow und nahm in den jeweils besteingeführten Porzellangeschäften am Ort "repräsentative Händler" unter Vertrag. Himmler Wünsche und die Realität begannen jedoch zunehmend auseinander zutreten. Sein Manager Oswald Pohl, der das immense Wirtschaftsimperium der SS leitete und hierbei mehr und mehr privatkapitalistische Grundsätze anwandte, entwickelte ein anderes Finanzierungskonzept als Himmler und setzte sich damit durch. Die PMA begann zu expandieren und "kaufte" jüdische Porzellanfabriken in dem nach dem Münchner Abkommen als Sudetenland eingegliederten Teilen der Tschechoslowakei. Doch Pohls Versuch, die bereits 1939 konkursreife Manufaktur auf diese Weise zu sanieren, scheiterte aus verschiedenen Gründen. Die Beschlagnahme der Karlsbader Fabrik konnte nicht in die Tat umgesetzt werden, weil Ihre Besitzer Lazarus und Rosenfeld sie in Eigentum amerikanischer und englischer Banken überführt hatten. Ladenpächter machten Geschäfte auf Kosten der SS; die zunehmend schwierigere Kriegslage erlaubte es nicht, Pohls Finanzierungskonzepte in großem Maßstab zu realisieren. Gegen Himmler Willen sah man sich obendrein gezwungen, Arbeitskräfte aus dem angrenzenden KZ Dachau zu beschäftigen, für die dies eine Überlebenschance bedeutete. Häftlinge und Künstler schufen so "unter einem Dach" bis zum Zusammenbruch des Nationalsozialismus, 1945 eine "monde en miniature" nach Vorstellungen der SS, in der es vorwiegend Tiere, aber auch "historische Soldaten" und weibliche Akte , Figuren der "Bewegung" und solche in Tracht gab; in der keramischen Abteilung fertigte man tönerne Hitlerköpfe sowie Julleuchter , Julteller Vasen und Urnen der germanischen Frühzeit an.
Das Problem ist, ob und inwieweit es sich bei dem Produktionsprogramm der PMA in der Tat um ein Programm im ikonographischen Sinn handelt, was hinausläuft auf die Bestimmung der Rolle der Tierporzellane, nach Anzahl der Modelle, sowie der hergestellten Stücke der wichtigsten Gruppe, für die man einen naturalistischen Stil forderte. In welcher Weise versuchte man "Porzellantiere" mit Konnotationen aufzuladen, um sie gegen andere, verhasste Kunstauffassungen wie die des Expressionismus zu setzen? Was aber hat das "Publikum" der Käufer und Beschenkten darin gesehen? Wie verhält sich die Intention des "Programms" auf der einen Seite zur faktischen Rezeption der Modelle der anderen? Vor dem Hintergrund der inneren Widersprüche der SS-Wirtschaftskonzepte sowie der aus den 20er Jahren tradierten Funktionen von Kunstgewerbe wird man mit der Frage nach den Grenzen der Instrumentalisierung von Kunst, ja von deren "Totalisierung" im "Dritten Reich" überhaupt konfrontiert. Von den Rändern her, vom scheinbar Nebensächlichen ausgehend, sollte hier versucht werden, Einsichten in eine Epoche der deutsche Geschichte zu gewinnen, die sich selbst stets - in ihren Konstruktionen wie in ihren Destruktionen - im "genus grande" präsentiert hat. Anknüpfungspunkt bieten hier gerade nicht Arbeiten, die sich mit dem Faszinans des Faschismus, der Monumentalität seiner Architektur und seinen Megalomanischen Inszenierungen befassen, sondern Bücher wie Bethold Hinz' "Malerei im deutschen Faschismus" und der Sammelband "Die Dekoration der Gewalt" oder Forschungen zur Geschichte des Alltags, in denen es um das Verhältnis von Kunst und Trivialem, um die Frage nach der totalitären Durchdringung der Lebenswelt, um Inkonsistenz und Effektivität in Ideologie und Handel geht. Meine Arbeit will also nicht in einem breiten Spektrum eine "Kulturgeschichte" des Faschismus entwerfen oder das Phänomen PMA in eine solche einbetten (man wird nichts über den Film, das Theater oder andere kulturelle Aktivitäten der SS erfahren), sondern versteht sich als Fallstudie. Sie stellt die leicht überarbeitete Fassung einer bei Ralf Reith entstandenen Dissertation an der Philosophisch - Historischen Fakultät der Universität Heidelberg dar.
(Aus: Gabriele Huber, Die Porzellan Manufaktur Allach München GmbH, Diss. 1992 Jonas Verlag) |